„Schönheitsfehler“ sagen 85 % der Nicht-Fachleute zu Bauschäden wie Risse. „Vernachlässigbar“, entscheiden sie. Laut einer interdisziplinären Studie zur Wahrnehmung von Bauschäden unterschätzen Laien meistens die Tragweite von Schäden der mittleren Kategorie. Das trifft auch auf das Thema Risse im Bauwerk zu.
Wie Sie als Bauherr unliebsame Überraschungen u.a. mit Blick auf das Sanierungsbudget und die Lebensdauer Ihres Bauwerks vermeiden können, beschreiben wir im folgenden Fachbeitrag.
Unterschiedliche Rissarten
Schwind-, Schrumpf-, Spalt-, Setz-, Schub, Biege- oder Trennrisse – es gibt zahlreiche Rissarten. Risse im Beton können aus unterschiedlichen, manchmal auch aus sich überlagernden Ursachen entstehen. Auslöser für Rissbildungen können bereits beim Neubau angelegt worden sein. Im Aushärteprozess von massigen (dicken) Betonbauteilen, wie es z.B. bei Fundamenten einer Windkraftanlage der Fall ist, wird Hydratationswärme freigesetzt. Die schnelle Wärmeabgabe an den außen liegenden Bereichen führt zu Temperaturunterschieden im Gesamtbauteil. Durch die unterschiedliche Temperaturverteilung entstehen Spannungen im Bauteil, die zu Rissbildungen führen.
Überhaupt nicht sichtbar sind sogenannte Mikrorisse im Beton. Sie sind nur mikroskopisch nachweisbar. Die Ursache liegt in der Verwendung von Zuschlagstoffen, die magmatisch-vulkanischen Ursprungs sind. Kürzlich hatten wir mit diesem Problem im Laufe der Sanierung einer langen Fußgängerbrücke über DB-Gleise zu tun. Die Mindestanforderungen an den Untergrund durch Stemmarbeiten waren nicht gegeben. Als Sachkundiger Planer und Bauüberwacher hatten wir umgehend reagiert und die Umstellung von Stemmarbeiten auf Höchstdruckwasserstrahlen veranlasst. Ohne, dass es zu Verzögerungen im weiteren Sanierungsablauf kam!
Weitere mögliche Ursachen für Rissbildungen sind äußere Einwirkungen auf das Bauwerk bspw. durch wachsende Verkehrsbelastungen bei Brücken. Frost oder Korrosion der Bewehrung sind ebenfalls häufige Auslöser für Risse. Je länger sich Bauschäden dieser Art ausweiten können, desto tiefgehender reichen sie ins Bauwerksinnere. Und schädigen die Bausubstanz mit weitreichenden Folgen!
Ist der Riss wasserführend?
In feinen Rissen setzt sich sehr gerne Feuchtigkeit ab. Dabei ist nicht entscheidend, ob sich der Riss durch das ganze Bauteil zieht. Wenn der Riss bis zur Bewehrung reicht, sucht sich das Wasser seinen Weg entlang der Bewehrungsstäbe. Neben einer deutlichen Erhöhung der Korrosionsgefahr der Bewehrungsstäbe sorgt ein eventuelles Miteintreten von stahlaggressiven Stoffen wie Tausalze für eine weitere Folgeschädigung: die Lochfraßkorrosion. Die Stahleinlagen werden regelrecht „angefressen“ (s.a. „Huckepack-Transport – ins Bauwerk mitgetragene Chloride“ oder „Lackschäden am Fuhrpark in Tiefgarage — Rostwasser sorgt für Ärger“). Das sind Ausgangslagen, die die Standsicherheit des Bauwerks beeinträchtigen. Deswegen beraten und informieren wir als Bauingenieure unseren Bauherrn bereits im Vorfeld ausführlich.
Versteckte Kosten hinter einem Haarriss
An mit Farbe angelegten Betonwänden sind Risse oft gar nicht oder nur minimal sichtbar. Das ist bspw. häufig in Parkhäusern oder Tiefgaragen der Fall. Erst wenn im Rahmen einer Betonsanierung die Oberfläche des Bauteils mit Höchstdruckwasser- oder Sandstrahlen entfernt wird, zeigt sich das Ausmaß der Schädigung. Das Beitragsbild zeigt den Unterschied zwischen sichtbarem Oberflächenriss und die sich ins Bauteilinnere ausweitende Trennung im Betongefüge. Dass eine solche Risstiefe viel Material und Arbeitszeit von Fachkräften „schluckt“, ist nachvollziehbar. Mit der häufig vertretenen Empfehlung, ein Farbanstrich würde doch bei solch feinen Oberflächenrissen reichen, ist der Bauherr schlecht beraten, bedenkt man der oben beschriebenen, sich ausweitenden Folgeschäden. Sie sind bei der Budgetplanung auf der sicheren Seite, wenn Sie um solche „unsichtbaren“ Schäden wissen. Wir kalkulieren diese als Planer der Instandsetzung bereits im Rahmen der Kostenberechnung mit ein. Das ist für uns Routine.
Die Rissbehandlung
Die Art der Rissbehandlung ist immer bauwerksabhängig. Für eine ständig befahrene Brücke mit Schwerlastverkehr bspw. müssen andere Maßnahmen ergriffen werden als an einer Fassade eines Hochhauses. Die Anforderungen an die Tragfähigkeit und die Dichtheit eines Bauteils erfordern unterschiedliche Sanierungsschritte. Die Frage, ob ein Riss elastisch oder kraftschlüssig verpresst werden muss, legen wir fest. Auf der Baustelle kümmern wir uns auch darum, dass alles richtig umgesetzt wird.
Meine TIPPs:
Verschaffen Sie sich Sicherheit. Im Rahmen einer Bauwerksdiagnostik durch einen Sachkundigen Planer für Betonsanierung werden Bauschäden umfassend beurteilt. Dabei werden die jeweiligen Anforderungen an das Bauteil berücksichtigt. Für die Dichtheit einer Bodenplatte – z.B. bei einer Weißen Wanne – gelten andere Voraussetzungen als für einen Unterzug. Jährliche Inspektionen zeigen den Grad von auftretenden Veränderungen auf.
Vereinbaren Sie mit mir einen kostenneutralen Erstberatungstermin vor Ort.
Der Weg zur zitierten Studie: https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2017-06-22-psychologie-wie-menschen-schaeden-gebaeuden-wahrnehmen SFB 837 „Interaktionsmodelle für den maschinellen Tunnelbau